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Plenarsitzung

Transkript

Markus Kurze (CDU): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die deutsche Einheit und die europäische Einigung sind zwei Seiten derselben Medaille.“ - Das sagte einmal Helmut Kohl, Ehrenbürger Europas wegen seiner herausragenden Verdienste um die europäische Einigung.

Kohl war ein Verfechter eines eng miteinander verbundenen Europas, insbesondere des europäischen Binnenmarktes. Europa war für Kohl aber stets mehr als ein Wirtschaftsprojekt. Helmut Kohl verstand den Gedanken an ein geeintes Europa als Überwindung des nationalstaatlichen Denkens, ohne dass man die Nationen vergisst, sowie als Lehre aus zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg.

Europa stellte sich ihm als Erbe dar; ein Erbe, in dem die freiheitlich-demokratischen Staaten durch ihre Grundwerte und Ideale verbunden sind. Im Kampf gegen die Unfreiheit im Osten Europas, die Teilung Deutschlands stand Helmut Kohl ebenso an vorderster Front wie bei der politischen Einigung Europas.

Welchen Gedanken und Grundwerten folgt nun die Idee Europas? - Ein geeintes, friedliches und wirtschaftlich erfolgreiches Europa - das ist die Idee, die schon Jahrhunderte alt ist. Es ist die Idee von Freiheit, Demokratie, Frieden und Gleichheit, von der Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, von der Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz für alle. Es ist die Idee von einem Europa, in dem es letztlich um Frieden und um ein gemeinsames Miteinander geht.

Die Idee von Europa folgt drei Grundprinzipien, dem Personalprinzip, das die persönliche Freiheit beinhaltet, dem Solidaritätsprinzip, das die persönliche Freiheit begrenzt, und dem Subsidiaritätsprinzip, das aussagt, dass eine höhere staatliche oder gesellschaftliche Einheit erst dann eingreifen darf, wenn die Kräfte der untergeordneten Einheit nicht ausreichen. Die Ausgestaltung des letzten Prinzips darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, durchaus kritisch hinterfragt werden.

(Zustimmung bei der CDU) 

Zur Geschichte. Auch wenn die Idee eines friedlichen und geeinten Europa schon wesentlich älter ist - ich habe es schon gesagt  , nahm die Europäische Union konkrete Gestalt erst nach dem Zweiten Weltkrieg an. Von Otto von Bismarck wird in der Nachbetrachtung posthum ein Bild gezeichnet, nach dem er sich mit der Zeit zu einem guten Europäer entwickelt hat. Wenn man das in Frankreich so sieht, wird schon etwas dran sein. Er galt in Frankreich nicht nur als Schmied der geeinten deutschen Nation, der die europäischen Gleichgewichte respektierte; im Nachhinein hat man auch seine anderen Ideale anerkannt.

Im Jahr 1949 gab es die Gründung des Europarates. Zehn westdeutsche Länder bekannten sich zur Demokratie, zu Menschenrechten und zur Rechtsstaatlichkeit. 1951 gab es die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Das war ein erster wesentlicher Schritt eines anhaltenden Friedens; denn kein einzelnes Land sollte mehr in der Lage sein, Kriegswaffen herzustellen, um sie gegen ein anderes Land einzusetzen.

1957 gab es die Römischen Verträge. 1958 kam zum ersten Mal eine europäische parlamentarische Versammlung zusammen; das war ein Vorläufer des EU-Parlaments. 1968 fiel der Startschuss für die Zollunion und die Europäische Gemeinschaft erweiterte sich auf neun Mitgliedstaaten. Auch die Einrichtung eines Fonds der europäischen Regionalpolitik konnte man in diesem Jahr verbuchen. 1979 wählten die Bürger der neuen Mitgliedstaaten erstmals das Europäische Parlament.

Die von Helmut Kohl erwähnte zweite Seite der Medaille, die Deutsche Einheit, nimmt mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in den 1980er-Jahren Gestalt an. In dieser Zeit wächst die Europäische Gemeinschaft weiter und erste Schritte in Richtung eines gemeinsamen Binnenmarktes werden gedacht. 

1989 fällt die Berliner Mauer. Die Grenze zwischen Ost und West ist nach 28 Jahren wieder offen und schon 1990 treten die neuen Bundesländer der Europäischen Gemeinschaft bei.

Weitere Meilensteine folgten. Der Vertrag von Maastricht 1992. Im Jahr 1994 wurde das Abkommen über die Europäische Wirtschaft geschlossen und drei weitere Länder schlossen sich der Gemeinschaft an. Der grenzfreie Reiseverkehr wurde vereinbart; darüber konnten sich die Europäer ab 1995 freuen. 1999 wurde der Euro als eine gemeinsame Währung in elf Mitgliedstaaten eingeführt.

In den 2000er-Jahren wächst die Union weiter und sie rückt näher zusammen. Denn die Terroranschläge vom 11. September 2001 benötigten eine intensivere Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung. Zehn weitere Länder treten der EU 2004 bei; 2007 folgen zwei weitere. Der Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, modernisierte vieles in der EU.

2012 erhält die EU den Friedensnobelpreis. Ihr Beitrag zur Förderung von Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten während der vergangenen sechs Jahrzehnte wurde damit honoriert. Man kann es nur noch einmal sagen: Der Erhalt des Friedens innerhalb Europas ist keine einfache Aufgabe gewesen und Gott sei Dank hat man es bis heute auch so hinbekommen.

Die Gemeinschaft wuchs auf 28 Staaten heran, aber im Jahr 2020 verließ uns das Vereinigte Königreich. Wie sollen nun die EU, wie soll Europa in den kommenden Jahren aussehen? Zur Frage, wie das Europa von morgen aussehen soll, startete man 2021 eine auf ein Jahr angelegte Konferenz zur Zukunft Europas. Man bot den Menschen in ganz Europa an, das Europa von morgen direkt mitzugestalten. In dem Ideenwettbewerb von Bürgern der EU konnten die Menschen mitgestalten, Prioritäten und Herausforderungen der Gemeinschaft diskutieren und Empfehlungen geben, wie sie zukünftig leben wollen.

Im Ergebnis kamen 326 Maßnahmen und 49 konkrete Vorschläge zusammen. 95 % dieser Vorschläge wurden vom Rat als umsetzbar bezeichnet. Seit 2022 ist man nun dabei, die Ideen der Menschen auch umzusetzen.

Menschen in Europa stellen sich Europa von morgen auf alle Fälle mit einer stärkeren und noch besseren Wirtschaft vor. Es soll natürlich demokratisch-europäische Bürgerforen geben. Es soll rechtsstaatlich sicher sein. Die Menschen stellen sich Europa auf der internationalen Ebene aktiver und stärker vor.

Denn der Wirtschaftsraum, der sich eigentlich bietet, konkurriert letztlich auch mit anderen großen Wirtschaftsräumen. Aber wir haben eine ordentliche Stärke und die muss vielleicht an der einen oder anderen Stelle aus Sicht der Menschen auch noch besser ausgespielt werden. Denn es gibt in vielen Sektoren eine Abhängigkeit von anderen Ländern, die nicht in Europa liegen. Auch in dieser Hinsicht will man wieder unabhängiger werden. Dazu haben die Vorredner bereits eine Menge gesagt, weshalb ich darauf nicht eingehen möchte.

Am Ende meiner Rede möchte ich aus der politischen Sicht heraus einige Ausblicke geben. Verbote und Zwänge, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie bspw. das Verbrenner-Aus und die Gebäuderichtlinie, gehen ein Stückweit an der Lebenswirklichkeit und an der Leistungsfähigkeit der Menschen vorbei.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja! - Zustimmung bei der FDP)

Deshalb müssen wir gemeinsam verstärkt darauf achten, dass dann, wenn solche überragenden Themen in Europa diskutiert werden, alle einbezogen werden, damit es zukünftig nicht zu diesen Fehlentwicklungen kommt.

(Guido Kosmehl, FDP: Oder es wird am Ende teuer!)

Wenn man am Ende merkt, dass manche Dinge - das habe ich schon einmal vorgetragen - nicht so laufen, wie man es sich vorgestellt hat, dann muss die Politik in der Lage sein, das zu erkennen und zu korrigieren. Deshalb ist in dem Programm der Union für die Europawahl enthalten, dass wir das Aus für das Verbrenner-Aus wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Guido Kosmehl, FDP: Dank der FDP!)

- Es ist immer gut, wenn man einen Partner hat, der uns am Ende flankiert. Andersherum ist es genauso.

(Guido Heuer, CDU: Du bist aber heute auf Kuschelkurs! - Andreas Silbersack, FDP: Oh! - Guido Kosmehl, FDP, lacht)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht alles lustig, was passiert. Neben den wirtschaftlich harten Fakten, über die wir gerade gesprochen haben, gibt es auch schwerere Themen. Das Thema Migration beschäftigt die Menschen auch im Vorfeld der Wahl, die jetzt ansteht.

Wenn der polnische Regierungschef, Herr Tusk, im Februar nach Deutschland kommt, Olaf Scholz besucht und im Rahmen seines Besuches klar und deutlich sagt, dass es eine Frage des Überlebens der westlichen Zivilisation sei und dass man aufwachen und verstehen müsse, dass wir auch unsere Grenzen schützen müssten, dann sind das klare Worte von Herrn Tusk. Zudem hat er gesagt, dass, wenn wir offen für alle Formen der Migration seien, unsere Welt, die westliche Welt, so wie wir sie kennen, irgendwann unter einer Last zusammenbrechen werde.

(Zuruf von der CDU: Ja! - Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle hat Herr Tusk recht. Herr Tusk ist nun wahrlich kein Nationalist.

(Guido Kosmehl, FDP: Realer!)

Er ist ein Realist. Ich würde mir manchmal wünschen, dass man diese klare Debatte auch in Deutschland führen kann. Das ist momentan nicht mehr so einfach. Das kann jeder aus seinem Blickwinkel betrachten. Aber wenn wir nicht mit den Menschen reden, sondern nur über sie, dann müssen wir uns nicht darüber wundern, dass wir nicht enger zusammenrücken, sondern weiter auseinanderdriften.

Wenn die Europäische Union eine sichere Zukunft haben soll, dann müssen die Nationalstaaten und auch wir als Länderparlamente mehr darauf achten, wo die Zuständigkeiten liegen, damit Debatten und Entscheidungen nicht parallel entstehen.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Vor neuen Regelungen ist immer zu prüfen, ob nicht national, regional oder lokal Handlungsmöglichkeiten bestehen, bevor sich die EU dieses Thema auf den Tisch zieht.

Die Deutsche Einheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die europäische Einigung sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind es deshalb, weil Freiheit die unabdingbare Voraussetzung für den Frieden ist. Frieden braucht Wohlstand, gemeinsame Lösungen und keine Alleingänge.

Die Überschrift der Debatte lautete „Sachsen-Anhalt wählt ein starkes Europa!“. Man könnte auch sagen: Nur, wenn möglichst viele Menschen mitgestalten, mitmachen und zur Wahl gehen, dann bleibt Europa stark und Freiheit und Sicherheit bleiben gewährleistet. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten! - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Kurze. - Es gibt eine Frage von Herrn Gallert.


Markus Kurze (CDU): 

Als hätte ich es geahnt. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Lieber Markus Kurze, wenn wir den geschichtlichen Abriss so ausführlich vornehmen, dann kann man noch ein wenig weiter zurückgehen. Wir begehen gerade das Immanuel-Kant-Jahr; er wurde vor 300 Jahren geboren. Bereits vor ca. 230 Jahren hat er die Entwicklung eines sich ausbreitenden Bundes als das Modell für Europa entwickelt, das sich gegen den Krieg innerhalb Europas wehrt. Insofern befinden wir uns vielleicht sogar in einer noch längeren Traditionslinie.

Aber gerade deswegen frage ich Sie einmal. Wir alle haben heute tatsächlich noch nicht ein Thema berührt, über das auch ziemlich intensiv diskutiert wird. Es geht um die Fragen: Inwiefern soll die Europäische Union eigentlich eine Militärmacht werden? Inwiefern soll sie ein Rüstungsprojekt werden? Nun ist ganz klar, wir lehnen das ausdrücklich ab, weil wir wissen, dass für das andere dann kein Geld mehr bleibt und wir dadurch eher eine Rüstungsspirale anheizen. Ich würde aber gern einmal wissen: Was denkt Markus Kurze eigentlich darüber, der sich ja in vielen anderen Fragen, gerade auch bei solchen Dingen, von seiner Bundespartei deutlich absetzt? 

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht) 

Wie steht Kollege Kurze dazu, diese EU zu einem Rüstungs- und Militärprojekt zu machen?


Markus Kurze (CDU): 

Also, ich war kürzlich bei dem 14K3-Marsch. Diejenigen, die sich mit den Reservisten und der Bundeswehr näher auskennen, wissen, was dieser Marsch bedeutet. Vor 14 Jahren sind drei Fallschirmjäger der Bundeswehr bei Gefechten in Afghanistan umgekommen. Es waren erstmals längere Gefechte, bei denen es viele Verletzte und sogar auch Tote gab. Die Reservisten gemeinsam mit der Bundeswehr erinnern in jedem Jahr mit Märschen und Veranstaltungen daran. Es ist also eine neue Erinnerungskultur, die am Ende auch unsere Bundeswehr stärkt, gerade im öffentlichen Raum. 

Ich habe dort einige Worte an die Damen und Herren gerichtet. Mir war es wichtig, es am Ende so zusammenzufassen: Die Bundeswehr ist - und das soll sie auch bleiben - eine Armee zur Verteidigung. So sehe ich das auch mit Europa. Europa muss sich sicherlich verteidigen. 

(Zuruf von der AfD) 

Dazu muss man sich in dem Bündnis weiter stärken. Aber ich bin auch kein Freund davon, dass wir wieder in einen - ich sage es einmal so - Rüstungswettbewerb eintreten, wie wir ihn aus dem Kalten Krieg kennen. Ich bin eher der Freund der Diplomatie und halte es mit Clausewitz; er war ja ein Militärtheoretiker und großer Sohn meiner Heimatstadt Burg: Man sollte erst diskutieren, bevor man zu anderen Mitteln greift. Ich denke, dass ich damit zumindest meine Grundhaltung hier noch einmal deutlich dargestellt habe. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Kurze. - Damit sind wir am Ende der Regierungserklärung und der Debatte dazu angelangt. Beschlüsse fassen wir hierzu nicht. Deshalb ist der Tagesordnungspunkt beendet.